Neue Studie: Mehr als 70 Prozent der städtischen Klimaschutzpläne sind lückenhaft
Mehr als 70% der europäischen Städte passen sich nicht konsequent und kohärent an den Klimawandel an. Diese Schlagzeile überschrieb eine neue Studie, über die deren Autoren in Nature Climate Change berichteten.

In ihrer Analyse stellte das Forschungsteam fest, dass fast die Hälfte der bewerteten 327 Städte keinerlei Klimaanpassungspläne vorweisen konnte. Allerdings gebe der Mangel an einer Veröffentlichung derartiger Pläne keine verbindliche Aussage darüber ab, ob und wie diese Städte doch versuchen, Klimabedrohungen zu reduzieren.
Hohe Maß an Inkonsistenz
Für die untersuchten 167 Städte, die Anpassungspläne veröffentlicht haben - von Alborg und Aarhus in Dänemark bis hin zu Zilona Gorá in Polen und Zaragoza in Spanien – haben die Analysten festgestellt, dass die klimabezogenen Maßnahmen dieser Pläne oft inkonsistent sind.
Dies zeige sich dadurch, dass kommunale Klimarisikobewertungen, politische Ziele, Anpassungsmaßnahmen und Überwachungsprogramme nicht aufeinander abgestimmt seien.
So identifizierten 81 Pläne das erhöhte Risiko von Stürmen und Winden durch den Klimawandel, aber nur 23 dieser Pläne – oder 28 Prozent erwähnten die zunehmende Resilienz gegen solche Unwetterereignisse als ein spezifisches politisches Ziel.
Systemische Lücken
Ungereimtheiten wie das Beispiel der Gefahren von Stürmen schaffen vermeidbare Lücken zwischen den Anpassungszielen und konkreten Maßnahmen der Umsetzung.
Die Studie kam zum Ergebnis, dass Nürnberg die größte Lücke in seinem Klimaanpassungsplan hat. Stuttgart und Schwerin sowie Birmingham in Großbritannien folgen dicht dahinter.
Die Kluft zwischen den Zielen und deren konkrete Umsetzungsmechanismen ist besonders alarmierend, da sich Europa doppelt so schnell erwärmt wie jeder andere Kontinent. Zudem erfährt Europa seit Jahrzehnten eine beträchtliche finanzielle und institutionelle Unterstützung für nachvollziehbare und vollumfängliche Klimaanpassungspläne.
Konsequenz und Kohärenz
Ein Großteil der Untersuchungen zu den Anpassungslücken konzentriert sich auf den Unterschied zwischen den Klimamaßnahmen, die eine Stadt zum Schutz gegen die Folgen des Klimawandels benötigt, und dem, was tatsächlich unternommen wurde.
Das Forschungsteam stellte weitere wichtige Teile von Anpassungslücken fest, die die These der Inkonsistenz zwischen den Verwaltungen und den politischen Stadträten untermauern.
Im Idealfall wäre zu erwarten, dass die Anpassungsbemühungen entlang der politischen Kette zusammengeschlossen gedacht werden.
Als Beispiel dafür dienen Städte, in denen Klimarisikobewertungen konkret darauf hindeuten, wie die jeweilige Stadt mit spezifischen Bedrohungen durch Stürme, Sturzfluten, Hitzewellen oder Dürren konfrontiert ist. Daraus sollte eine Schwachstellenbeurteilung erfolgen, die direkt mit den kommunalen Anpassungszielen, Richtlinien und den Überwachungs- und Bewertungsprozessen in Verbindung gebracht werden.
Wichtig ist ferner, wie Stadtverwaltungen die von schweren Klimaauswirkungen besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen, Industrien und Wirtschaftssektoren in die Gefahrenbeurteilung und Maßnahmen zum Schutz der Folgen mit einbeziehen.
Sollten diese zusammengehörenden verschiedenen Phasen des Anpassungsmanagements falsch ausgerichtet und inkonsistent sein, wird die gesamte Stadtgesellschaften weniger wahrscheinlich von den Auswirkungen der Unwetterereignissen als Klimafolgen geschützt.
Konsistenzprüfungen
Die Forscher haben eine Reihe von Konsistenzprüfungen entwickelt, um zu identifizieren, inwieweit verschiedene Stufen des Anpassungsmanagementprozesses aufeinander abgestimmt sind.
Dazu gehören unter anderem
- Konsistenz zwischen Gefahren, die in einer Risikobewertung identifiziert wurden, und den Anpassungszielen einer Stadt.
- Kohärenz zwischen den Risiken für bestimmte Sektoren mit detaillierten Maßnahmen.
- Kohärenz zwischen den Risiken gefährdeter Gruppen, ebenfalls mit detaillierten Maßnahmen.
- Überwachungs- und Bewertungsprozessen, um sicherzustellen, dass die Maßnahmen umgesetzt werden.
- Eine Beteiligung der gefährdeten Gruppen an der gesamten Prozesskette
Breite Datenbasis
Der verwendete Datensatz umfasst die 27 Mitgliedsländer der EU sowie das Vereinigte Königreich. Er zielt darauf ab, etwa 20 Prozent der Bevölkerung jedes Landes zu erfassen und nach Möglichkeit nationale und regionale Hauptstädte einzubeziehen. Im Allgemeinen umfasst der Datensatz Großstädte mit mehr als 250.000 Menschen und mittelgroßen städtischen Gebieten mit mehr als 50.000 Menschen.
So nennt die Studie 68 Städte, die besondere Risiken für Gebäude hervorheben, während 70 Städte Risiken für die Wasserversorgung betonen und Details zu Maßnahmen zu deren Schutz benannten.
Risiken für gefährdete Gruppen, wie ältere Menschen, Menschen mit niedrigem Einkommen und ethnische Minderheiten, wurden nur mit konsistenten Maßnahmen in 43 Prozent der vorgelegten Pläne verfolgt.
Angesichts der Tatsache, dass die am wenigsten beachteten Mitglieder der Gesellschaft oft am anfälligsten für die Folgen des Klimawandel sind, besteht die reale Gefahr, dass diese vulnerablen Gruppen besonders mit Unwetterereignissen und deren Folgen zu kämpfen haben.
Enttäuschendes Ergebnis
Insgesamt fanden die Forscher bei der Bewertung der fünf Konsistenzprüfungen von den erhaltenen 167 Pläne Ungereimtheiten in mehr als zwei Dritteln dieser Dokumente.
Bezeichnenderweise stellte die Studie fest, dass dies nur etwas mehr als die Hälfte der in der Datenbank berücksichtigten Städte darstellt. Daher lässt sich nicht komplett beurteilen, wie die größten und wichtigsten Städte in ganz Europa mit Klimabedrohungen umgehen wollen, und zwar unabhängig davon, ob ihre Aktivitäten falsch ausgerichtet sind oder nicht.
Immerhin deuten die Untersuchungen darauf hin, dass viele Stadtverwaltungen und ihre politischen Gremien robuste Risikobewertungen benennen und die Fortschritte entsprechend überwachen, insbesondere bei den schwächsten sozialen Gruppen in der Gesellschaft.
Die Ergebnisse der Studie unterstreichen den Faktor Gerechtigkeit innerhalb einer kommunalen Gesellschaft. Es sei von immenser Wichtigkeit, sich auf diejenigen zu konzentrieren, die am anfälligsten für die Folgen der Klimaveränderungen seien. Besonders vulnerable Teile der Stadtgesellschaft müssen in die Bewertung und die weitere Entscheidungsfindung einbezogen werden.
Diese Zusammenfassung erschien als Gastbeitrag der Studienautoren bei www.carbonbrief.org.
Quellenhinweis:
CarbonBrief-Gastbeitrag der Studienautoren
und der Link zur Studie